Montag, 14. November 2011

Jakobsweg Bozen - Meran - Vinschgau - Müstair

Mi, 15.06.11: Sigmundskron - Meran
Start in Olang mit dem ersten Zug um 5.50 Uhr, Ankunft in Sigmundskron um 7.45 Uhr.

Von Sigmundskron bin ich nach Frangart gewandert. Nachdem die Kirche verschlossen war, bin ich zum etwas entlegenen Friedhof gegangen und habe am Grab von Sepp Kerschbaumer gebetet. Er starb am 07. 12. 1964 im Gefängnis von Verona infolge eines Herzinfark=
tes.
 Auf seinem Grabstein steht zu lesen: "Er lebte und starb für sein Volk und Land".
Er war maßgeblich an der Feuernacht vom 11. auf den 12. Juni (Herz-Jesu-Sonntag) 1961 beteiligt, also vor fast genau 50 Jahren.

Am Etschkanal ging es weiter durch Obst- und Weingärten und den Weiler Unterrain nach Andrian. Hoch über dem Dorf thront das Schloss der Herren von Andrian, das vermutlich seit 1430 Wolfsthurn heißt.
Über den "Südtiroler Apfelradweg" geht es weiter bis nach Nals, ein bekannter Weinort, geprägt durch die schönen alten Häuser, mehrheitlich kleinere adelige Ansitze. Am höchsten Punkt des Ortes liegt die Schwanburg, eine der schönsten Schlossanlagen Südtirols.

Entlang des Pilgerweges hierher hatte ich oft großen Gelüsten zu wiederstehen: reife Kirschen und Marillen hingen an den Bäumen und wo man eine Frucht hätte erreichen können, war sie leider schon weg. Es waren vorher wahrscheinlich schon andere "gelustige Menschen" unterwegs und so konnte ich nach dem Mittagessen mir nur in Gedanken vorstellen, wie gut so ein Nachtisch wäre. Wichtig an
diesem warmen Sommertag war vor allem das Trinken und ich hatte mir schon genug Vorrat in den Geschäften entlang der Ortschaften eingekauft.

In der Kirche von Nals fand ganz zufällig eine Hochzeitsbesprechung des Pfarrers mit einem Brautpaar statt.

Auf asphaltierten und auch Schotterwegen inmitten der Obstwiesen, vorbei am Golfplatz, gelangt man nach Niederlana. Die Geschichte des "Apfeldorfs" wird wie kaum eine andere Ortschaft des Alpenraums vom Deutschen Ritterorden bestimmt. Die alte Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt wurde 1492 geweiht. Sie zählt zu den schönsten spätgotischen Kirchen Südtirols, vor allem wegen ihres Inneren, wo der berühmte Hochaltar von Hans Schnatterpeck besondere Erwähnung verdient. Er gehört mit seinen 14 m Höhe, aus Kastanienholz geschnitzt, zu den größten Flügelaltären des deutschsprachigen Raumes. Leider war die Kirche versperrt und auf eine spätere Führung konnte ich nicht mehr warten.

An der Kirche vorbei und steil bergauf gelangte ich zum Brandiswaalweg. Waale sind in erster Linie Bewässerungskanäle für die Landwirtschaft, daneben auch Wasserzuleitungen zu Häusern oder Mühlen. An Schleusen wird das Wasser aus Bächen gefasst und von Hauptkanälen in Zweigwaale geleitet. Die Zuteilung der Wassermenge ist für jede Flur zeitlich geregelt.

Unterhalb des Waalweges trifft man auf das
Kirchlein St. Margarethen, das 1215 von Kaiser Friedrich II. an den Deutschen Ritterorden übergeben wurde. Erwähnenswert und beeindruckend ist der Freskenzyklus im Innern der Kirche, welcher mir von einem fachkundigen Kenner bildlich erklärt und beeindruckend dargestellt wurde. Ein herzlicher Dank nochmals an dieser Stelle.

Über Mitterlana und Oberlana, die Brücke der Falschauer überquerend und den Villener Weg geht es nun auf asphaltierten Straßen und Gehsteigen weiter nach Tscherms und Marling.
Marling war im 12. Jahrhundert Sitz des gleichnamigen Adelsgeschlechtes, bevor dieses über dem Dorf Tscherms Schloss Lebenberg als seine neue Residenz erbauen ließ.

Links von der Kirche in Marling beginnt der Kirchweg, der nach Meran und zum Bahnhof führt.
Meran liegt am Zusammenfluss von Passer und Etsch und tritt erst zu Beginn des 12. Jahrhunderts in die Geschichte, als die Grafen von Vinschgau auf dem Plateau über dem Talboden bei Dorf Tirol ihr Schloss errichteten und sich fortan Grafen von Tirol nannten. Meran wird Hauptstadt der Grafschaft Tirol.
1836 gilt als Geburtsjahr der Stadt, wie wir sie heute kennen - als Kurort der Fürsten Europas. Kaiserin Sisi kam 1874 zum ersten Mal nach Meran, sie besuchte ihren Lieblingskurort in der Folge regelmäßig, bis knapp vor ihrem Tod 1898.
Mit der Pfarrkirche St. Nikolaus beherbergt Meran eine der schönsten gotischen Kirchen Tirols.

Um 18.15 Uhr habe ich dann in Meran den Zug bestiegen und bin ohne umzusteigen in Olang um 20.45 Uhr angekommen. Ein erlebnisreicher, eindrucksvoller und meditativer Tag ging wieder zu Ende.

Reine Gehzeit: 8 St. (ca. 34 km, mit Umwegen in Frangart)


Fr, 28.10.11: Meran - Kastelbell
Start in Olang mit dem ersten Zug um 5.50 Uhr. Ankunft in Meran um 8.15 Uhr.

Beim Soldatenfriedhof von Meran vorbei gelangte ich durch die Obstwiesen von Algund, dem blühenden Apfeldorf zu Füßen des Schlosses Thurnstein mit der alten und neuen Pfarrkirche. Bis zur Töll (Zollstation in der Römerzeit) mußte ich, über die erste der drei Talstufen im Vinschgau, mit dem Rad- und Wanderweg vorlieb nehmen. Am rechten Etschufer, vorbei bei der Kapelle, dem Wirtshaus "Onkel Taa" und dem K.-K.-Museum "Bad Egart", wo mir ein Hinweisschild "O-lang - Che lungo" (wörtliche Übersetzung!) auffiel, erreichte ich die Ortschaft Rabland, wo ich in der Jakobskirche (sie liegte an der damaligen Via Claudia Augusta) ein Versprechen einlöste.
Ich zitiere Peter Lindenthal: "Im malerischen Dorf finden wir den Beleg dafür, dass neben den sicher zahlreichen Rompilgern auch Jakobspilger durch den Vinschgau unterwegs waren. Einen unmittelbaren Hinweis auf die Römerstraße finden wir vor dem berühmten Gasthof "Hanswirt" gleich neben der Kirche, wo vor dem Hotel eine Nachbildung des römischen Meilensteins des Kaisers Claudius aus dem Jahre 46 n.Chr. zu sehen ist. Selbstverständlich bin ich in diesem schönen Hotel eingekehrt und wurde auf ein Getränk eingeladen, ist der Chef des Hauses wohl auch der Onkel der Schwiegertochter Kathi.

Über den Sonnenberg und die schön verfärbten Laubwälder ging es weiter bis Naturns, wo man auf einem der Höhepunkte des Vinschgauer Jakobsweges, dem Kirchlein St. Prokulus aus der Karolingischen Zeit, stößt. Der hl. Prokulus wird als Viehpatron verehrt und war Bischof von Verona. Leider war das Kirchlein um die Mittagszeit verschlossen und so ging ich nach einer kurzen Mittagsrast weiter bis zur gotischen Pfarrkirche St. Zeno. Im Altarraum war noch die Erntekrone zu sehen, ein Zeichen des Erntedankfestes.
Auf dem Radweg an der Etsch ging es weiter bis nach Staben. Hoch oben am Berg thront das Schloss Juval. Der Bau des Schlosses geht etwa auf das Jahr 1200 zurück.
An der Etsch entlang, auf der gerade ein "Paddler" zu sehen war, gelangte ich zum Bahnhof von Tschars und Kastelbell, wo gegenüber die Burg Kastelbell schön ersichtlich ist.

Nach einer angenehmen Wanderung bei herrlichem Wetter und angenehmen Temperaturen bestieg ich um 16.00 Uhr den Vinschger Zug und erreichte um 19.15 Uhr den Heimatort.

Reine Gehzeit: 6 1/2 St. (Strecke ca. 26 km)

Ein Zitat noch von Peter Lindenthal: "Sollte ein Pilger einmal "falsch" gehen (was ist eigentlich falsch? oder sich nicht mehr zurecht finden, einfach suchen oder fragen. Beides sind wichtige Aspekte des Pilgerns, wie auch des Lebens.


Mi, 09.11.11: Kastelbell - Prad 
Ich startete in Olang mit dem Zug um 5.50 Uhr und nach ca. 3 Stunden Fahrtzeit kam ich in Kastelbell an.

Ich setzte den Jakobsweg auf dem Radweg fort, da ich an der Stelle vorbeikommen wollte, wo im April des Jahres 2010 auf der "Latschander" das Zugunglück passierte und neun Fahrgäste den Tod fanden. Eine Gedenkstätte erinnert daran.
Auf besagtem Radweg, auf dem an diesem herrlichen Herbsttag nur mehr einzelne Radfahrer unterwegs waren, gelangte ich nach Latsch, das im Mittelalter ebenfalls Sitz eines Hospizes der Johanniter war. Von der ursprünglich romanischen Pfarrkirche St. Peter und Paul sind noch Teile erhalten; auf dem Westportal ist auch eine Statue des Apostel Jakobus zu sehen.
Weiter ging es zum Latscher Hof und nach dem Gasthof Bierkeller traf ich auf den wunderschönen Mareiner Waal. Dieser wurde 1372 erbaut und ist 8 km lang. Unterhalb der Ruine Untermontani überquerte ich den Fluss Plima und erreichte dann das Zentrum von Morter. Das Vigiliuskirchlein ist das älteste Gotteshaus des kleinen Dorfes.
Auf dem Holzbruggenweg, der hauptsächlich als Rad- und Wanderweg an der schattigen Nordseite entlang der Etsch genutzt wird, gelangte ich über eine Abkürzung nach Göflan und nachdem ich in Schlanders schon einige Male gewesen war, habe ich den Hauptort des Vinschgaues auf der linken Seite passiert und bin weitergewandert nach Laas, wo ich zu Mittag gegessen habe.
Laas ist als "Marmordorf" bekannt. Der Laaser Marmor wurde bereits von den Römern abgebaut und war demzufolge schon seit Urzeiten besiedelt.
Nach dem Überqueren der Geleise der Bremsberg-Schrägbahn, auch Marmorbahn genannt und entlang des "Schgumser Grabens", vorbeimarschierend an der Schwefelquelle, erreichte ich Tschengls, wo auf der Kuppe des Murkegeles die gotische Pfarrkirche Mariä Geburt thront. Die uralten Bauernhäuser des Dorfes werden von der Tschenglsburg überragt.
Auf einem Güterweg am Talboden gelangte ich in das Dorf Prad, wo ich bei Abenddämmerung eintraf und im Gasthof "Stern" übernachtete. Prad ist der Ausgangspunkt für die Fahrt auf das Stilfser Joch, der mit seinen 2758 m einer der höchsten befahrbaren Pässe der Alpen ist.

Gehzeit: 7 1/4 St. (Strecke ca. 30 km)


Do, 10.11.11: Prad - Müstair (CH)

Gleich nach dem Frühstück, bei Tagesanbruch startete ich die letzte Etappe des Jakobsweges in Südtirol.
Nach dem Suldenbach ging ich bergauf zur St.-Georgs-Kirche von Agums, welche um 1500 errichtet und später im Inneren vollständig barockisiert wurde. Leider ist auch diese Kirche von November bis Ostern werktags verschlossen.
In einer halben Stunde erreichte ich Lichtenberg, dessen Name von der im frühen 13. Jahrhundert errichteten Burg oberhalb des Dorfes stammt. Sie war auch Sitz der Herren von Lichtenberg und Festung der Tiroler Grafen gegen den Bischof von Chur.

Ich bemerkte, dass ich den Ausweis im Gasthof in Prad vergessen hatte und gütigerweise wurde er mir nachgebracht. Ein Dankeschön noch an dieser Stelle. 

Nicht ganz 3 km auf der alten Straße am Fuße des Abhangs, praktisch ohne Asphalt und daher fein zu gehen, waren es noch bis zum Jakobskirchlein von Söles. Die kleine Kapelle aus der Mitte des 16. Jahrunderts, ist nach der Jakobskirche von Rabland der nächste Hinweis darauf, dass nicht nur Rompilger im Vinschgau unterwegs waren. Leider war auch dieses Jakobskirchlein versperrt (zugänglich nur an Freitagen, nachmittags).

Die Pankratiuskirche, Pfarrkirche von Glurns (Grab von Paul Flora), ausserhalb der Stadtmauern gelegen, erreichte ich nach etwas zwanzig Minuten. In die Stadt, ein mittelalterliches, wunderbar erhaltenes Kleinod, gelangt man durch das Stadttor am anderen Ufer. Innerhalb der Stadtmauern findet man neben den berühmten Laubengängen, den sieben Befestigungstürmen und dem Fuggerhaus natürlich auch Kirchen, darunter die Dreifaltigkeitskirche und die Frauenkirche. In diesem netten Städchen hielt ich mich auch kurz auf.
Weiter ging es Richtung Mitterwaalweg, dem letzten Waalweg an diesem herrlichen Herbsttag mit seiner bunten Farbenpracht. Wegen Steinschlag war er für ein kurzes Teilstück unterbrochen und ich mußte daher einen Aufstieg von ca. 100 m in Angriff nehmen, bevor ich wieder diesen lohnenden Waalweg durch den herrlichen lichten Lerchenwald fortsetzen konnte. Nach diesem letzten Waalweg auf dem Jakobsweg wartete bis Rifair ein wunderschönes Wegstück am Bach entlang und dort wechselte ich von der Schatten- auf die Sonnenseite und gelangte zum Valentinskirchlein in Rifair. Dieser Ort gehört zur Gemeinde Taufers und liegt am alten Talweg.
Über den alten Kirchsteig erreichte ich  die Kirche und Hospiz St. Johann in Taufers i.M.. Die Kirche ist vor allem wegen ihrer romanischen Fresken bekannt. Die St.-Johann-Kirche zählt zu den wenigen erhaltenen Hospizkirchen unseres Landes und ist deshalb etwas Besonderes. Die Kirche war in der damaligen Zeit eine Herberge und auch eine Pflegeeinrichtung. Oberhalb des Hospizes sieht man die Pfarrkirche St. Blasius.
Im Weiler Puntweil verläßt man den Vinschgau und über den Gehsteig entlang der Hauptstraße gelangte ich in die Schweiz und hatte die Möglichkeit, den schönen Ort Müstair aus der Ferne zu sehen.
 
Das Ziel der Pilgerwanderung lag vor mir. In einer Viertelstunde erreichte ich das vermutlich zu Zeiten Karls des Großen gegründete Benediktinerinnenstift von Müstair,  den krönenden Abschluss des Jakobsweges durch Südtirol und ich hatte Gelegenheit, in der Klosterkirche zu beten für verschiedene Anliegen, wie ich dies auch auf dem Pilgerweg tat. Ein Dankgebet auch, dass ich die Gesundheit habe, diese Wegstrecken überhaupt gehen zu können. 
Noch ein Wort zum Kloster: bis 1163 beherbergte es sowohl Mönche als auch Nonnen, seither ist es ein reines Frauenkloster.

Von Müstair fuhr ich mit dem Schweizer Postbus bis nach Mals, bestieg dort den Vinschger Zug und hatte in Meran gleich Anschluss. Am späteren Abend traf ich dann wohlbehalten in Olang ein. 

Gehzeit: 5 3/4 St. (ca. 22 km)

Insgesamte Gehzeit auf dem Jakobsweg in SÜDTIROL: 82 1/2 Stunden (12 Tage)

Zurückgelegte Strecke: 336 km 

Gehzeit Jakobsweg GRAZ - INNSBRUCK: 150 St. (21 Tage)

Dort zurückgelegte Strecke: 622 km  

Insgesamt: 232 1/2 Stunden (33 Tage) - 958 km 

Noch einige Nachbetrachtungen zum Jakobsweg in Südtirol:
Die Beschilderung des Jakobsweges im Pustertal und im oberen Eisacktal und Wipptal ist gut; Andernorts werden die Jakobsschilder wohl erst angebracht werden müssen (im Vinschgau fehlen sie gänzlich)

Die Wegbeschreibung im Buch "Jakobswege in Südtirol" von Peter Lindenthal ist sehr ausführlich und genau. Historische und kulturelle Ausführungen habe ich zum Teil diesem Buch entnommen. 

Jede Jahreszeit hat seine Besonderheiten beim Wandern bzw. Pilgern: im Frühjahr kommt alles langsam zum Blühen und man lauscht dem Vogelgesang; im Sommer bei schönem Wetter wandert man gerne im Schatten und es ist angebracht, frühzeitig unterwegs zu sein; im Herbst überwiegt die Stille und die herrliche Farbenpracht und die Erntezeit ist voll im Gange. So hat jede Jahreszeit seine Reize.

Was mir unangenehm aufgefallen ist, dass viele Kirchen und Kapellen, darunter auch Jakobskirchen, versperrt sind. Es wird schon Gründe dafür geben und man erfährt es auch, wenn man mit den Menschen redet.


Ich bin den Südtiroler Jakobsweg und den Jakobsweg von Graz über die Steiermark nach Slowenien, Kärnten, Osttirol, Südtirol und Nordtirol bis nach Innsbruck immer ganz allein unterwegs gewesen, habe auch keinen anderen Jakobspilger unterwegs angetroffen und überlege mir nun, eventuell den Jakobsweg in der Schweiz fortzusetzen, vielleicht auch in Begleitung, wenn sich jemand dazu meldet!